Von Incas und Incapaces, ab morgen zu den Huaoranis

Der Ausflug von Cusco nach Machu Picchu war ein kleines schoenes viertaegiges Abenteuer. Noch in Cusco, bevor wir zwei uns in das mitten im ‚heiligen Tal‘ gelegene Inkadorf Ollantaytambo aufmachten, organisierten wir Bustransport und Mountainbikes fuer den naechsten Tag. Am naechsten Vormittag wurden wir dann auf dem kleinen Hauptplatz des gemuetlichen Doerfchens vom Minibus mit den Fahrraedern abgeholt, worin wir uns zu den doesenden Reisegefaehrten sassen, welche schon in Cusco eingestiegen waren. Nun ging es 2-3 Stunden lang nur bergauf, bis wir die Passhoehe des Abra Malaga auf 4300 m.ue.M. erreichten. Trotz Regens waren wir guten Mutes um auf die Zweiraeder umzusatteln, denn immerhin erwartete uns eine vierstuendige Abfahrt auf der anderen Seite des Passes. Vor allem zu Beginn war es noch ziemlich spassig, da man die Serpentinen durch Querfeldein-Fahrten auf Schotter und Wiese abkuerzen konnte. Schon nach ca. 15 Minuten war dies aber leider nicht mehr moeglich und wir mussten uns mit den Mountainbikes an die mehrheitlich gut asphaltierte Strasse halten. 3100 Hoehenmeter am Stueck nach unten wurden ueberwunden; doch das auf einer Wegstrecke von ca. 80 Kilometern. Nach meinen Berechnungen ergibt das ein durchschnittliches Gefaelle von gerade mal knapp vier Prozent. Deshalb musste auf vielen Abschnitten getreten werden, um ein ‚anstaendiges‘ Tempo zu erreichen. Immerhin regnete es weniger, je weiter wir uns dem Ziel Santa Maria naeherten, und in der Haelfte der Strecke hoerte es ganz auf. Die Temperatur steig ebenfalls betraechtlich, weshalb ich mich nach und nach meiner Zwiebel-artig aufgebauten Kleiderschichten entledigte, und die Vegetation wechselte von Páramo, ueber Bergregen- zu Bergnebelwald und schliesslich subtropischer Regenwald. Ein schoenes Naturschutzgebiet! Nur leider war das Rollmaterial alles andere als praechtig, ein Gruppenmitglied stuerzte sogar uebel, als sich der Schlauch des Vorderrades aus dem Pneu loeste und sich der Aussenwelt als Anakonda-artiges Gewulst praesentierte. Zum Glueck wurden uns auf der Passhoehe Rueckenpanzer verabreicht. Er kam relativ glimpflich davon, waehrend die ebenfalls geliehene Regenjacke voellig durchgeschuerft war. Ja, das war wieder mal eine Lektion: Man bekommt halt meistens das, wofuer man bezahlt, und wir hatten uns fuer das billigste aller Angebote entschieden…
Nach einem kurzen Snack am Zielort unserer Abfahrt verabschiedeten sich ich und mein Reisegefaehrte wieder von unseren temporaeren Schiksalsgenossen, liessen die Gruppe hinter uns und machten uns unabhaengig auf den Weiterweg in Richtung Machu Picchu. Ja, so gefaellts uns halt.
Mit dem Kollektivtaxi fuhren wir auf einer Schlammstrasse mit sehr ueberdurchschnittlich hohen Erdrutsch- und Steinschlagsraten (vor allem in der derzeit andauernden Regenzeit) in ca. einer Stunde von Santa Maria ins etwas hoeher (1500m) gelegene Santa Teresa. Einmal musste der Chauffeur sogar selbst Hand anlegen, um ein paar Gesteinsbrocken aus dem Weg zu raeumen…
Santa Teresa ist ein sehr kleines, abgelegens Doerfchen, wo im Prinzip gar nichts passiert. Doch ist es je laenger je beliebter als Durchgangsort fuer Alternativreisende zum Machu Picchu und hat bestimmt noch an Beliebtheit gewonnen, seit die Preise fuer Bahnfahrten auf der angestammten Strecke ins beinahe Unermessliche steigen. Doch dazu spaeter… Jedenfalls konnten wir uns wegen der fuenf Franken nicht beklagen, welche wir fuer die Uebernachtung in einem sauberen modernen Doppelzimmer mit Bad pro Person bezahlten.
Die groesste Attraktion von Santa Teresa ist definitiv das schlicht und schoen gestaltete, grosszuegige Thermalbad, welches einen 30minuetigen Fussmarsch ausserhalb Santa Teresa an eine Felswand angeschmiegt wurde. Wir genossen die Erholung am Abend sehr, sollten doch zwei etwas anstrengendere Tage auf uns warten.
Zunaechst folgte der Fussmarsch nach Aguas Calientes (bzw. Machu Picchu Pueblo). Wir irrten ein bisschen herum, bevor wir nach einer Flussueberquerung dank Haengebrueck(chen) auf der anderen Hangseite wieder den Anschluss an die Schlammstrasse fanden. In zwei Stunden Fussmarsch auf flachen Terrain das Flusstal hinauf erreichten wir ein grosses Wasserpumpkraftwerk, wo wir uns an einer Reception – die ein ausgedienter Container war – als Machupicchureisende registrieren mussten. Von dort aus liefen wir nochmals zwei Stunden (jetzt deutlich angenehmer im Schatten des Waldes) Bahngleisen entlang bis nach Aguas Calientes (‚heisse Wasser‘). Waehrend dieser Wanderung konnten wir schon einen kleinen Vorgeschmack von Machu Picchu erhaschen. Sozusagen die Hinterseite der Ruinenstadt; einige Ruinen und den beruehmten symboltraechtige Huaynu Picchu – Berg konnten wir identifizieren. Angekommen in Aguas Calientes mussten wir aber wehmuetig erkennen: ‚Aaay was ist das fuer eine Touristenhoelle; da halten wir es laenger als einen Tag nicht aus!‘ Der Ort scheint einzig aus Hotels, Hostels, Restaurants, Internet-Cafes, Verkaufsstaenden und der Bahnlinie zu bestehen. Das unterirdische Abendessen, welches aus Alpaka- (ich) und Meerschweinchenfleich (Mario) bestand, gab uns dann noch den Rest. Noch kurz Snacks fuer den naechsten Tag einkaufen und dann ab in die Federn, hiess es. Um vier Uhr morgens standen wir auf, und um fuenf Uhr standen wir rechtzeitig zur Toroeffnung vor dem Eingang zum Fussweg nach Machu Picchu. Ha- das war eine ziemliche Parforceleistung auf dieser Hoehe, die Leute waren nicht aufzuhalten und auch wir liessen uns von der Wettkampfstimmung anstecken: in nicht weniger als 35-40 Minuten bewaeltigten wir die paar hundert Hoehenmeter bis zum Eingangstor der Ruinenstadt, wo wir entsprechend verschwitzt ankamen (sogar vor dem Touristenbus, welcher ebenfalls um 5 Uhr in Aguas Calientes abgefahren war). Es geht also so steil hoch, dass man zu Fuss tatsaechlich den Bus schlagen kann. Wer geht naechstens nach Machu Picchu? Ist doch eine spannende Herausforderung, Mann gegen Technik 😉

Nur unserer Ausdauer war es also zu verdanken (und dass wir nicht in der Gruppe reisten), dass wir zur Oeffnung der Stadtanlage um 6 Uhr unter der ersten Handvoll Personen waren, welche eingelassen wurden. Ich muss sagen, die menschenleere, noch im Morgennebel eingehuellte Machupicchustadt betreten zu duerfen und zu beobachten, wie langsam aber sicher das Sonnenlicht eindringt und den Nebel verscheucht, war fuer mich eine fantastische Erfahrung. Noch nicht muede genug um auszuruhen, lief ich auf einen ‚Aussichtspunkt‘, wo ich einen schlafenden Angestellten vorfand, dessen Funktion anscheinend darin bestand, Touristen den raetselhaften ‚Altar‘ zu erklaeren, der sich dort oben befand. Dies tat er den tatsaechlich fuer mich, nachdem er aufgewacht war, und zufrieden stieg ich wieder zu meinem Freund herunter. Um 6.20 war der ganze Spuk dann vorbei und Machu Picchu war schon von Touristen bevoelkert wie im Sommer ein Kuhfladen von Fliegen. So schnell gehts und fuer uns war’s Zeit, den Massen nochmals ein weiteres Stueck zu entfliehen: Anstehen zum Aufstieg auf den majestaetischen Huayna Picchu, wofuer wir Tage zuvor ein Ticket gekauft hatten. Tueroffnung hier war um 7 Uhr, und wieder ging es steilstens hinauf, diesmal noch etwas steiler. Schweizer wie wir sind, liessen wir uns jedoch von nichts und niemandem einschuechtern und wieselten weitere ca. 250 Hoehenmeter wie Gemsen den Berg hinauf (leichte Uebertreibung). Doch waren wir wieder die Ersten, sogar mit Abstand, und genossen in aller Ruhe die Aussicht runter auf die Ruinen, die Touristen und die unglaublich schoene bergige und urig-waldige Umgebung.
Das war uns aber auch noch nicht zu entfernt, so nahmen wir den Abstieg zu den abgelegenen, wenig besuchten Kavernen auf der Hinterseite in Angriff. Auf jeden Fall sehenswert, doch der Abstieg ist muehsam und steil. Unterhalb der Kavernen war sogar ein Durchgang in den Urwald hinein ‚machetet‘, vielleicht ein versteckter Gratiseingang nach Machupicchu?
Eine weitere Stunde Marsch war noetig, um den grossen Felsen Huaynapicchu fertig zu umrunden und wieder die Ruinenstadt zu erreichen. Die Aussichten auf diesem Pfad waren weiterhin unglaublich und unglaublich schoen und immer wieder fragte man sich, wie viele muehsame Arbeitsstunden wohl investiert wurden, diese Steinpfade in solch unwegsame Land- bzw. ‚Bergschaften‘ zu legen.

Zurueck in der steinigen, von Touristen uebersaeten Stadt fanden wir das Ganze dann nicht mehr so prickelnd und nahmen alsbald den Abstieg nach Aguas Calientes in Angriff. Wie wir im Vornherein schon geplant hatten, kauften wir, dort angekommen, Zugtickets fuer den Weg zurueck nach Ollantaytambo. Leider war die ‚billigste‘ Klasse schon ausverkauft, weshalb wir unanstaendige 75 US-Dollar aus unseren Taschen klauben mussten. Naja, das Minimum waere mit $62 auch nicht viel weniger gewesen. Einheimische bezahlen uebrigens ca. 10mal weniger als wir auslaendischen Touristen. Das Traurige dabei ist, dass von den drei Zugunternehmen kein einziges in peruanischer Hand ist: PeruRail beispielsweise gehoert einem Chilenen, und InkaRail besitzen US-Amerikaner. Es scheint aber mehr als genug Pauschaltouristen zu geben, welche bereit sind, diese (fuer Suedamerika) horrend hohen Preise fuer die 1.5-stuendige Zugfahrt ohne mit der Wimper zu zucken zu bezahlen. Naja, wenn man extra fuer Machu Picchu nach Suedamerika fliegt, auch einigermassen nachzuvollziehen…
Und es ist ja auch, das muss ich an dieser Stelle nochmals festhalten, ein weltweit einzigartiges, wunderschoen in die Landschaft eingebettetes, gut erhaltenes und von Menschenhand geschaffenes Kulturwunder!

Tut mir leid, dass seit diesem Erlebnis so viel Zeit verging, bis zur Veroeffentlichung. Allerdings ist unterdessen auch nicht so viel passiert: Weiterreise nach Lima, wo ich zwei Tage in dieser kontaminierten Grossstadt mit durchaus schoenen Seiten (Straende, Altstadt, Menschen und Klima) verbrachte und zum letzten mal couchsurfte, bevor ich in Richtung Ecuador weiterpressierte.

Nach einigen Wochen Sprachschule in Cuenca und den Praesidentschaftswahlen, in welcher Rafael Correa ohne Probleme wiedergewaehlt wurde, reisten wir zu viert nach Tena (zwei Tage) und sind seit heute in der schwuelheissen Tiefland-Amazonas-Oelfoerderungsstadt Coca im ecuadorianischen ‚Oriente‘. Morgen gehts dann definitiv raus aus der Zivilisation und rein in die ‚zona intangible‘ (unberuehrbare Zone) des Nationalparks Yasuní. Lieber jetzt als erst in paar Jahren, denn geht es nach den Plaenen des Praesidenten steht Oelfoerderung im Yasuní zuoberst auf dem Programm. Unberuehrt davon, dass es sich beim Yasuní um ein einzigartiges und von internationalen Konventionen geschuetzte Biosphaeren-Reservat handelt. Ich habe ueber diese Problematik ja schon im Ecuadorblog ausfuehrlich berichtet…

In diesem Blog muesst ihr fuer einmal ohne Bilder auskommen, doch wenn ihr Machu Picchu etc. googelt, stoesst ihr sicher auf genug Veranschaulichungen, falls noetig…
Also, wir verabschieden uns (Eli, Marco, Priscila, ich) nun fuer fuenf Tage von jeglicher Zivilisation und rechnen fest damit, wieder heil aus dem Dschungel rauszukommen, trotz Giftschlangen, Anakondas, Kaimanen und weiss nicht was… Macht euch keine Sorgen, wir (ich) wissen was wir tun. Bis dann!