Japan Teil 2

Dass ich im Kloster ein ziemliches Schlafdefizit angehaeuft hatte, bemerkte ich erst, als ich wieder draussen war. In Kyoto, meiner naechsten Station, schlief ich waehrend sechs Tagen jeweils mindestens 10-12 Stunden. Wenn ich nicht schlief, hing ich in irgendwelchen Kaffeehaeusern rum und schaute dem Regen zu, oder ich ging zu Fuss alte Sachen anschauen. Davon gibt es naemlich jede Menge in dieser historischen Hauptstadt Japans.
Ueberhaupt habe ich in allen Staedten, wo ich war, fast nur Tempel, Pagoden, Schloesser und Schreine fotografiert. Naja…

Japan kann ziemlich teuer sein fuer einen arbeitslosen Studenten wie mich. So war ich sehr froh, dass ich nach Kyoto in Kobe Unterschlupf fand, bei einer fernen japanischen Verwandten meiner Mutter. Bei ihr konnte ich meine Kenntnisse der japanischen Kueche, die ich sehr mag, nochmals ausweiten und ausserdem meine erworbenen Kuenste in der Disziplin ‚Essen mit Staebchen‘ unter Beweis stellen. Am Wochende machten wir einen Ausflug in das japanische Landleben, was eine gute Abwechslung war, denn das Alltagsleben der meisten Japaner ist schon extrem stadtorientiert. Bei der Familie meiner Verwandten durfte ich in ihrem riesigen traditionell-japanischen Landhaus uebernachten und wurde richtiggehend verwoehnt mit weiteren kulinarischen Hoehenfluegen. Dazu gehoerten auch einige Speisen, die direkt aus Gemuese zubereitet wurden, das wir vorhin gemeinsam aus dem Garten und dem angrenzenden Wald ernteten. Dazu gehoerten z.B. das ‚udo‘-Gemuese und die Bambussprossen. Am Sonntag wurde ich von ihnen nach Himeji ausgefuehrt, eines der groessten und imposantesten japanischen Schloesser. Da koennen wir Schweizer gleich einpacken… Schade war nur, dass das riesige Hauptgebaeude gerade renoviert wird und daher von Abdeckungen vollstaendig eingehuellt war. Nach dem Mittagessen in einem Sushi-Restaurant gingen meine Verwandte und ich wieder zurueck nach Kobe. Und so durfte ich auch weiterhin von der grossen japanischen Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit ‚profitierien‘. Von Freunden wurden wir zu einem feinen Nachtessen eingeladen. Natuerlich gestaltete sich die Kommunikation nicht immer einfach, da die Englischkenntnisse vieler Japaner (ganz entgegen meiner anfaenglichen Erwartungen) sehr begrenzt sind. Zum Glueck war aber meine Verwandte als Uebersetzerin dabei und scheute sich keiner Muehen.

Da mir noch etwas Zeit bis zu meinem Flug nach Kathmandu blieb, entschied ich mich fuer eine Reise nach Hiroshima. Diese Stadt ist bekannt fuer ihre schoene natuerliche Umgebung aus Fluessen, Huegeln und Bergen, sowohl einer idyllischen Insel gleich vor der Kueste. Den meisten von euch ist der Name Hiroshima wohl nicht deswegen gelaeufig, sondern aus einem ganz anderen Grund: Hiroshima war die erste Stadt in der Geschichte der Menschheit, ueber welcher eine Atombombe abgeworfen wurde. Die zweite Stadt war Nagasaki, ebenfalls in Japan. Dies geschah im August 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges.

Ehrlich gesagt, es ist ziemlich traurig sich das Ganze aus der Naehe anzuschauen. Es ist schlicht unvorstellbar, was diese Bombe am verhaengnisvollen 6. August 1945 in Hiroshima anrichtete. Man fragt sich, wie es moeglich ist, dass jemand ueberhaupt auf die Idee kommt, sowas gegen Menschen einzusetzen.
Ein paar Fakten: Beim Atombombenabwurf – 8 Uhr morgens an einem wolkenlosen Sommertag – starben 80’000 Menschen augenblicklich. 60’000 weitere Menschen starben bis Ende Jahr, groesstenteils aufgrund innerer Verletzungen durch nukleare Strahlung. Viele weitere Strahlenopfer starben viele Jahre danach ploetzlich und ohne aeussere Anzeichen.
Alle Gebaeude im Umkreis von 2km vom Explosionsort wurden durch die Druckwelle augenblicklich zerstoert. Der anschliessende Grossbrand brannte die ganze Stadt nieder.
Zahlen allein koennes das unvorstellbare Leid, das dadurch angerichtet wurde, nicht genuegend beschreiben. Man muss sich das mit eigenen Augen anschauen, die Opfer anhoeren, Berichte lesen, Fotos anschauen etc. Vor Ort im sogenannten Peace Memorial Museum von Hiroshima kann man sich selbst ein Bild machen. Das geht unter die Haut.
Hiroshima wurde als ‚Friedensstadt‘ wieder aufgebaut. Der Buergermeister schreibt nach jedem Atombombentest einen Protestbrief an die entsprechende Nation. Die Erben Hiroshimas wollen nicht nachlassen bis es keine Atombomben mehr gibt auf der Welt und stehen ein fuer Gewaltlosigkeit und weltweiten, andauernden Frieden. Ein weiser Mann sagte: „Weltfrieden muss aus innerem Frieden entstehen. Frieden ist nicht einfach die Absenz von Gewalt. Frieden ist, so denke ich, der Ausdruck von menschlichem Mitgefuehl.“

Den zweiten Tag in Hiroshima verbrachte ich dann nicht mehr im Museum (wie den ersten), nein, ich machte bei bestem Wetter einen Ausflug auf die Insel Miyajima, ihres Zeichens Weltkulturerbe und einer der drei „landschaftlich schoensten Orte“ in Japan. Das wuerde ich sogar bestaetigen, doch seht selbst auf den Bildern.
Den letzten Tag in Japan verbrachte ich dann wieder bei meiner Verwandten, wo ich meine Siebensachen zusammenpackte und auf zum Flughafen ging, wo ich in Richtung China abhob. Jedoch nur als Zwischenstopp fuer eine Nacht auf dem wahnsinnigen neuen Flughafen in Kunming, dann gings weiter nach Kathmandu.

Seither geniesse ich das kulturell und landschaftlich vielfaeltige Nepal. Nach fast zwei Wochen in Kathmandu und Umgebung bin ich seit gestern in Pokhara. Von hier aus fliege ich morgen, wenns mit dem Wetter passt, rein in den Himalaya, um noch ein bisschen zu wandern. Angesichts meiner angeschlagenen Knie und des schwachen Trainingsstandes bin ich eher skeptisch und werde mich in weniger steilen und hohen Gebieten aufhalten.
Hier in Pokhara hat die Regen- bzw. Monsunzeit schon begonnen, es giesst draussen gerade wie aus Kuebeln. Drueckt fuer mich die Daumen, dass ich in den Bergen einigermassen trocken davon komme!
Bergheil und bis zum naechsten Mal…

Links:
Wikipedia ueber die Atombombenabwuerfe
Japans Top Destinationen. Im Nachhinein stelle ich fest, dass ich Nr. 1 bis 6 besucht habe 😉

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